Testspiel
5. Juli 2014Wolfsberger AC – 1.FC Union Berlin 0:2 (0:1)
Mit den FUDU-Piefkes in Völkermarkt war Holger (Eisener Messias)Normalerweise beginnt eine Saison des 1.FC Union Berlin ja mit dem Besuch des Trainingsauftakts im Stadion ADAF. In diesem Jahr war dies leider nicht möglich, da das Spielfeld des selbigen mit Sitzgelegenheiten bestückt war und dem Leitspruch „Fußball pur!“ dank Samba-Tänzerinnen und Lampen-La-Olas ordentlich Leben eingehaucht wurde. So saßen sie nun dort, um der FIFA-Weltmeisterschaft („Wir verkaufen unsere Seele – aber nicht an jeden!“) zu frönen und der deutschen Nationalmannschaft („Fick Dich, DFB!“) kräftig die Daumen zu drücken. Unsereins zog kopfschüttelnd von dannen und stellte sich die Frage, warum man einst zum Stadionbesitzer wurde, wenn doch dieses 500 € teure Stück Papier nur wenige Jahre später nicht einmal dazu berechtigt, mitzudiskutieren, wie unser Stadion in der Sommerpause genutzt werden darf. Und eine Diskussion über das Für und Wider einer solchen Veranstaltung wäre bei der Meinungsdivergenz innerhalb der Fanszene hinsichtlich dieses Events sicherlich von Nöten gewesen. Sie hätte zumindest verhindert, dass manche Menschen, die schon seit Jahren den 1. FC Union begleiten, das Gefühl vermittelt bekommen, ihr Wort habe plötzlich kein Gewicht mehr. Niemand mag sich wie eine austauschbare Figur in einem immer größer werdenden und nach oben strebenden Verein, der bereits das Unwort „Kapitalgesellschaft“ in den Mund nimmt, fühlen...
…diskutieren wir so am frühen Morgen des 05.07.2014. Wir sitzen zu dritt im Flugzeug und befinden uns auf der Reise zu unserem persönlichen Saisonauftakt nach Österreich. Da einer unserer besten Männer leider den Flug verschlafen hat und ebenfalls nicht beliebig austauschbar ist, bleibt sein Sitzplatz verwaist. Die freundlichen Stewardessen der „Fly Niki“ reichen belegte Brote zum Frühstück, während der Reiseleiter in den ersten sprachlichen Fettnapf tritt, indem er mutmaßt, dass es sich bei dem Namen „Fly Niki“ samt rosa Logo um einen „Facelift der Lauda-Air“ handeln würde. Zurecht muss er sich daraufhin von seinem mitreisenden Hooligan-Kollegen hochgradige Political Incorrectness vorwerfen lassen. „Facelift“ und „Niki Lauda“ in einem Satz zu verwenden ist in der Tat nicht so der Burner...
Gerade einmal 50 Minuten später landen wir in Wien, wo der Magyar bereits mit dem Auto zur Weiterfahrt bereit steht. Wir stellen fest, dass 12 Minuten parken in Österreich 4,70 € kosten und machen uns kurz darauf auf den Weg in unser Feriendomizil. Die vorab gebuchte Ferienwohnung entpuppt sich als Ferienzimmer für 4 Personen. Schön ist die Zimmernummer 23, die, wenn man ein Testspiel mit Silvio vor der Brust hat, irgendwie passend erscheint. Weniger schön ist das verschimmelte Toastbrot im Küchenschrank, welches es sich hier der Farbgebung und des Geruchs nach zu urteilen wohl seit 6-8 Wochen gemütlich gemacht hat. Neben dem Kühlschrank hängt ein technisches Gerät zum Laden in der Steckdose. Wie die Höhlenmenschen begutachten wir dieses. Jeder darf es mal in die Hände nehmen und versuchen, es zu bedienen, zu öffnen, darauf herum zu drücken, herauszufinden, worum es sich hier handeln könnte. Wir fühlen uns alt, der technische Fortschritt hat uns abgehängt und produziert Geräte, die lediglich Fragezeichen über unseren Köpfen zurücklassen. Könnte ein Tamagotchi sein. Oder ein Schwangerschaftstest. Vielleicht aber auch irgendwas mit WLAN. Egal, ich werde es bei eBay versteigern und mir davon irgendetwas Analoges kaufen. Der Rest der Bude ist unterdurchschnittlich hübsch, aber zweckmäßig. Wir nehmen uns vor, morgen zum Abschied ausschließlich ein „Gute Lage!“ in das Gästebuch zu schreiben. Aber jetzt ist es erst einmal an der Zeit, um in Richtung Völkermarkt aufzubrechen.
Hier spielt nämlich um 18 Uhr der großartige 1. FC Union Berlin gegen den österreichischen Erstligisten Wolfsberger AC (mit dem putzigen Beinamen „RZ PELLETS“), der neben dem altbekannten Silvio vor allen Dingen auf der Chefcoach-Position in Didi Kühbauer einen namhaften Akteur der Fußballszene aufzubieten hat. Da zudem mit Verteidiger Joachim Standfest und Mittelfeldstar Boris Hüttenbrenner zwei meiner Lieblingsösterreicher aus dem Sonderheft, welches ich damals in Innsbruck geschenkt bekommen habe, ebenfalls mit von der Partie sind, lohnt es sich bereits aus diesem Grunde, für den Testspielkick 10 Euro zu berappen. Im Stadion finden sich letztlich 410 Zuschauer ein, darunter gut 50 Unioner, die Teile der kleinen Sitzplatztribüne und vor allen Dingen die Gaststätte gegenüber für sich beanspruchen. Gut sichtbar wird ein Transparent in Gedenken an den verstorbenen Union-Reeder Eddy angebracht. Mit dieser Schock-Nachricht in den Knochen, die uns bereits heute Morgen auf dem Weg zum Flughafen per SMS erreicht hatte, ist es nur selbstverständlich, dass der Union-Anhang heute auf lautstarke Fußballparty verzichtet und eher stillschweigend Zeuge dieses Testspiels wird.
In der ersten Halbzeit lässt Cheftrainer Düwel, der einen Großteil des Spiels stehend und lautstark dirigierend verbringt, folgende Spieler agieren: In der Abwehr Puncec – Eggimann - Schönheim, im Mittelfeld Krailach – Jopek – Trimmel – Mattuschka - Köhler und ganz vorne Nemec und Skrzybski. Auf der Torwartposition nimmt Düwel im Vergleich zum Match im Poststadion gegen den BAK eine Änderung vor und lässt Amsif an Stelle von Haas starten. Schon in dieser frühen Phase der Vorbereitung scheint klar zu sein, dass in der kommenden Saison mit einem 3-5-2 System gespielt werden dürfte. Die Eindrücke, die man in Völkermarkt von der Mannschaft bekommt, sind positiv. Es scheint eine gute Grundstimmung im Team zu herrschen, alle Spieler machen einen fitten und spielfreudigen Eindruck, die taktische Grundausrichtung scheint verstanden und angenommen worden zu sein. Früh gehen die Unioner nach einem katastrophalen Rückpass der Wolfsberger mit 1:0 durch Mattuschka in Führung, der einen Querpass von Skrzybski nur noch in das leere Tor schieben muss. Im weiteren Verlauf des Spiels gelingt es den Unionern größtenteils, den WAC fern des eigenen Tores zu halten, obwohl die Spielkontrolle samt daraus resultierender optischer Überlegenheit bei den Österreichern liegt. Lediglich ein Mal wird es brandgefährlich, als Ynclán nach gut einer halben Stunde den Pfosten trifft.
In der zweiten Halbzeit verliert das Spiel etwas an Tempo. Beiden Mannschaften wechseln in der Pause nicht komplett durch, sondern bringen nach und nach vereinzelt Reservespieler in das Spiel. Bei Union kommen im Verlauf der Partie noch Leistner, Brandy, Özbek, Kopplin, Parensen, Gomaa, Dausch und Nebihi zum Einsatz. Verständlich, dass der Rhythmus eines Spiels durch solche Wechselarien ein wenig ins Stocken gerät. Positiv bleibt, dass sich der WAC, der bereits in einer Woche in die Saison startet und sich somit in einer gänzlich anderen Phase der Saisonvorbereitung befindet, kein Übergewicht verschaffen kann. Weder körperlich noch taktisch sind sie den Unionern überlegen, sodass es den schwarz gekleideten Unionern gelingt, die 1:0 Führung zu verteidigen. Das Sahnehäubchen auf diese gute Leistung setzt am Ende Youngstar Zejnullahu, der einen Konter zum 2:0 abschließen kann. Das hat Spaß und Vorfreude auf mehr gemacht! Wir bitten vor der Abfahrt aus Völkermarkt den etwas verwirrten Dirk Zingler noch eben schnell, ein Foto VON uns zu machen. Wer zu oft fotografiert wird, verlernt das fotografieren. Oder: FUDU-Tours erdet!
Und durch Schlusspfiff und Fotoaktion sollte unser Wochenende noch längst nicht beendet sein. Den Sonntag verbrachten Teile der Reisegruppe zunächst mit einem ausgiebigen Wien-Spaziergang. Dort, wo die Wiener wohnen, sieht Wien aus wie Neukölln. Urban, ein bisschen schmuddelig, Sprachenmelange vom Balkan, hier und da etwas morbide. Das Stadtzentrum ist jedoch schick angezogen: Stephansdom, Wiener Staatsoper, Burgtheater, Rathaus, Hofburg. Und auch das Schloss Schönbrunn, außerhalb des Stadtzentrums auf dem Weg ins Gerhard-Hanappi-Stadion gelegen, kann einem ein touristisches "Oooh, schön!" entringen. Apropos auf dem Weg zum Stadion gelegen: Es muss der verehrten Leserschaft nicht verschwiegen werden, dass der Hauptgrund für ein Verweilen in Wien im Aufeinandertreffen von Rapid Wien und Celtic Glasgow zu suchen ist. Das Freundschaftsspiel der beiden europäischen Clubs wird in die Geschichtsbücher eingehen, ist es doch das letzte Fußballspiel im o.g. Stadion, ehe dieses dem Erdboden gleich gemacht und durch eine 0815-Standard-Arena an gleicher Stelle ersetzt wird.
So war es nicht verwunderlich, dass das Spiel zur Randerscheinung wurde und der Schwerpunkt der Beobachtung auf das Stadion und das Drumherum gelegt wurde. Für FUDU und einige andere Unioner, die ebenso wie wir aus Völkermarkt nach Wien gefahren waren, hieß es nun: Noch schnell die Atmosphäre der Flutlichtmasten einatmen, die schöne Dachkonstruktion der Marke Übergangslösung bestaunen, das kleine, enge Fußballstadion ohne VIP-Schnickschnack bewundern und etliche emotionale Momente einfangen. Die alten Rapid-Recken auf dem Rasen, inklusive Antonin Panenka, die wehmütig weinenden Männer um uns herum auf den Traversen, 90 Minuten Pyrotechnik, das Einläuten der Rapid-Viertelstunde, eine sensationelle Choreographie mit den wichtigsten Momenten der Vereinsgeschichte, Fähnchen mit dem Konterfei Gerhard Hanappis - all diese Eindrücke ließen den Besuch des Spiels schnell in die Kategorie "lohnenswert" rutschen. Nebenbei spielten beide Vereine übrigens 1:1 - aber das interessierte kaum einen der 17.400 Zuschauer, von denen eine Vielzahl nach Abpfiff den Rasen stürmten und Abschied von ihrem geliebten Stadion nahmen.
Nach einer Kneipentour, die in erster Linie vor verschlossenen Kneipen ("Sperrstunde") entlangführte, war es auch für mich Zeit, Abschied von der Stadt Wien zu nehmen. Während der Rest der FUDU-Besatzung mit einem freien Montag gesegnet war und noch einmal in die Ferienwohnung zurückkehrte, machte ich mich auf dem Weg zum Flughafen. Ein kleines Nickerchen am Airport, dann in den 6.20 Uhr Flieger steigen, um dann gegen 13 Uhr auf der Arbeit einzutrudeln. Soweit der Plan. Leider endete die Anreise jedoch gegen 1.00 Uhr am Bahnhof Wien-Mitte, mit der Erkenntnis, dass die erste S-Bahn zum Flughafen erst um 4.30 Uhr fährt. Die Gastrokette Vapiano war jedoch offenbar in dem festen Glauben daran, dass es in Wien keine Asozialen gibt, die sich nachts vor Bahnhöfen in Restaurants legen, so freundlich, ihre gepolsterten Sitzmöbel draußen stehen zu lassen und mich zur Nachtruhe zu bitten. Nett.
Und ja, so eine Couch hat schon auch etwas für sich. Ich bin nach dieser Nacht in Wien genaugenommen versöhnt mit allen Sofamöbeln dieser Welt. Aber im Stadion rumstehen müssen die Dinger dennoch bitte nie wieder... Noch allen eine schöne Sommerpause, wir sehen uns in Karlsruhe.
Eisern!